Nach 22 Jahren SBB zum Dienstleister

2020-02-29
7 min read

Wackellinie aka Karriere

Am 1. März 2019 war es soweit. Ich beendete mit meinem Eintritt bei isolutions was im August 1996 begann. Meine Laufbahn bei SBB. Eine Frage die ich immer wieder hörte war schon lange: “Wie hälst du es so lange beim gleichen Arbeitgeber aus?” und, ironischerweise, die zweite Frage dann nach dem Weggang: “Wieso verlässt du die SBB nach so langer Zeit?”. Auf beide möchte ich hier eingehen.

SBB Informatik

Ich bin irgendwann als klassischer Quereinsteiger in die IT gerutscht. Erst über eher koordinative, später dann immer technischere Tätigkeiten. Dabei habe ich SBB IT in vielen Phasen beobachten dürfen, was später mit etwas Reflektionsfähigkeit durchaus interessant war. Es entwickelte sich von der steten Rechtfertigung von Kosten, hin zum Management von Risiken bis zum heutigen Status als “Businesspartner auf Augenhöhe”. SBB IT ist ein höchst spannender Laden. Seit längerem im Outsourcing-Betrieb, grosse eigene Entwicklungsabteilung und eine Grösse die viel Komplexität mit sich bringt. Dabei ist SBB IT aber auch hochgradig agil und voll von tollen Leuten - zwei Dinge die man gemeinhin bei so grossen Dampfschiffen ja nicht erwartet, wenn man es nicht kennt. Das beantwortet auch schon die erste Frage. Man kann es bei SBB IT sehr lange aushalten ohne Tag für Tag den gleichen langweiligen Job zu machen. Ich durfte auch diverse Male erfahren, wie mit einer guten Idee, ein paar begeisterten Kollegen und Einsatz sehr grosse Veränderungen angestossen und begleitet werden können.

EA ICT Workplace

Meine letzte Station bei SBB war der “Enterprise Architect” des ICT Workplace. Eine Stelle von der ich bei ihrer Kreation noch sagte: “Das würde ich nie machen”. Als solchiger habe ich irgendwann 2016 gemeinsam mit meinem Solution Center Leiter Andreas Blum eine Vorlage in die Geschäftsleitung IT eingegeben. Die Vorlage hatte den leicht von der Zunge gehenden Titel “Differenzierte Datensicherheit im ICT Workplace”. Die Vorlage war die Zusammenfassung von vielen Theorien und Gesprächen die es immer wieder gab. Im Markt heisst es meist “Zero Trust”. Die Vorlage hatte noch keine konkreten Umsetzungsinitiativen sondern diente als strategische Stossrichtung. In den Abklärungen im Sommer 2016 traf ich mich mit verschiedenen Betriebsteams und Technologiearchitekten und kam nur harzig weiter. Irgendwann im Herbst dann der Geistesblitz - Klotzen nicht kleckern. Wir müssen, zur Erreichung der strategischen Ziele ein Programm starten. Wir bündeln alle anstehenden Projekte und die in den nächsten zwei Jahre anfallenden LifeCycles und fassen sie in einem Programm zusammen. Die Idee stiess nicht überall auf Verständnis oder Gegenliebe aber mit einiger Überzeugungsarbeit war der Start gelungen. Ich empfahl dann auch noch einen Programmleiter zu suchen der, und auf diese Formulierung bestehe ich, “ist wie Erich Siegrist”. Mein Ex-Architekturkollege und -vorgesetzter hatte vor ca. 2 Jahren die SBB verlassen war aber für seine smarte und strukturierte Art bekannt. Ein Strategieprogramm im ICT Workplace, ohne konkreten Business-Auftraggeber, in einem technologisch volatilen Markt, welches alle Mitarbeitenden der SBB betrifft, brauchte keinen knallharten Meilensteindurchtreiber sondern jemanden mit Kreativität und Analyse- und Lösungskompetenz. Das Programm wurde also eröffnet und gestartet.

Programm NEXT

Irgendwann gegen Ende des Jahres kam Erich als Programmleiter und es ging darum das Programm zu scopen, staffen und zu strukturieren. Zwei Jahre später sind wir immer noch etwas stolz darauf, dass der Plan auf dem Flipchart, abgesehen von kleinen Abweichungen eigentlich Bestand hatte. Wie sagte der SBB CIO immer so schön “Plan the work, work the plan”.

Mit NEXT haben wir 2017 & 2018 den SBB ICT Workplace in die Cloud transferiert, Windows 10 und Office 365 ProPlus eingeführt und ein neues EMM-System evaluiert. In kürzester Zeit wurde ich vom theoretischen Visio-Architekten zum respektablen Microsoft 365 Kenner. Innerhalb des Programms hatte ich den Titel Gesamtarchitekt was wir recht lose auslegten. Gewisse Bereiche waren so stark ausgestattet, dass es sicherlich nicht noch einen Architekten mehr brauchte1. Gewisse Bereiche waren aber sehr neu für SBB und daher legte man dort etwas mehr Augenmerk drauf. Ein solcher Bereich war sicherlich Office 365 wo uns die Einführung von Groups und später Teams doch das ein oder andere Mal Fragezeichen aufkommen liessen. Wir haben uns gerade in diesem Bereich auch extern verstärkt. Die erste solche Verstärkung war David Schneider von isolutions2. Er überprüfte Architekturen und beriet uns im Einsatz und der Strukturierung von Office 365. Mir blieb besonders die Diskussion welche uns schlussendlich zum Einsatz eines Bestell-Tools für Teams brachte. Eine Überzeugung die ich heute noch habe und die entgegen den offiziellen Microsoft Empfehlungen/Gepflogenheiten steht. Während des Programms kamen dann weitere isolutions Mitarbeiter wie Jonas Junker, Dennis Kraus und Lucas Blanz ohne die, die Exchange- und SharePoint-Umstellungen keine so ereignisarme Sache gewesen wäre wie es war.

Motivation zum Wechsel

Im Sommer 2018 war das Programmende absehbar. Es gab noch einiges an Unruhe, die würde man aber schaukeln. Und mit dem kommenden Ende dieser tollen Erfahrung kam die Planung was als nächstes kommt. Ich ging in dieser Zeit mit meinem Kollegen Stefan Hagenbuch essen und er meinte er sei auf dem Weg an ein Vorstellungsgespräch. Halb im Witz erwähnte ich er soll nach ihrem Bedarf nach einem Workplace Architekten fragen. Am Nachmittag kam dann prompt die Antwort man sei interessiert und ich solle mein Dossier schicken. Uff - CV aktualisiert und eingeschickt.

In diesem Prozess erhärtete sich die Idee zu wechseln. Als Enterprise Architect wäre die nächste Phase wieder eher theoretisch und strategiegetrieben gewesen. Nachdem ich mit konkreten Umsetzungen wieder Blut geleckt hatte, wollte ich nicht zurück ins Planungskämmerchen um Dinge auszubrüten, die vielleicht in zwei Jahren Früchte tragen. Das ist eine super-spannende Aufgabe - aber ich hatte dies viel gemacht und es war einfach nicht mehr der Zeitpunkt dafür. Ausserdem hatte ich jetzt ein einfach kommunizierbares Skillset. In der SBB Zeit hatte ich recht gute Kenntnisse von verschiedenen Bereichen, die liessen sich aber nicht einfach auf andere Firmen übertragen - so jedenfalls immer meine Einschätzung. Microsoft 365 ist aber für den Velo-Shop um die Ecke (fast) das selbe wie für SBB oder für die grössten Firmen dieser Welt. Zudem stand organisatorisch eine grössere Umstellung an und Andreas Blum und Toni Oberhofer 3 wären nicht mehr meine Vorgesetzten gewesen. Und in diesem perfekten Setting konnte es eigentlich nur schlechter werden.

isolutions

Der Bewerbungsprozess bei Firma XY lief also und ich hatte zwei sehr gute Gespräche und kurz darauf ein Angebot. Das brachte mich etwas in Verlegenheit, denn ich wollte auch abchecken ob ich bei isolutions eine Chance bekommen könnte. Schliesslich kannte ich dort schon einige Leute und Teil des Grooves. Diese Phase macht mir immer noch ein etwas schlechtes Gewissen, auch wenn ich inzwischen mit dem HR-Chef von XY sprach und es dann eh nochmal alles ganz anders kam - aber ich fragte also scheu bei Roman Feierabend an ob sie evt. jemanden wie mich brauchen könnten. Auf der Jobs-Seite fand ich nämlich nichts worauf ich mich hätte bewerben können. Es folgten begeisternde Gespräche mit Roman und Roger Haueter und das obligate isolutions-Assessment nachdem ich ein Angebot erhielt, annahm und meine Kündigung bei SBB einreichte. Natürlich schluckten wir alle etwas über meine Kündigungsfrist von 6 Monaten, diese ging mit dem Sabbatical in Maui aber auch gut zu Ende.

Für isolutions motivierten mich zwei Dinge:

  • Ich konnte meine Kenntnisse in M365 erweitern und mit Top-Challenging-Partnern vertiefen
  • Ich konnte die Ausgangslage und Herausforderungen diverser Kunden erleben und Mehrwert bringen.

Dafür nahm ich in Kauf etwas weniger flexibel meine Zeit einteilen zu können und etwas mehr reisen zu müssen4.

Bei isolutions ist auch ein interessanter Zeitpunkt. Einerseits hat man inzwischen eine Grösse, wo nicht mehr alles “einfach so” läuft, sondern gewisse Dinge müssen strukturiert oder synthetisiert werden. Dabei spreche ich nicht von fehlenden Prozessen oder Dokumentationen. Die sind zur Genüge vorhanden. Aber einfache Dinge wie Wissensverteilung erledigen sich nicht mehr beim sprichwörtlichen Wasserkühler. Andererseits hat isolutions nun auch immer grössere Kunden oder umfangreichere Mandate bei Kunden. So sind wir zum Beispiel strategischer Workplace-Partner bei SBB oder verantworten User-Adoption für internationale Kunden. Dinge die Anpassungen am Portfolio mit sich bringen. Also genügend Gestaltungsspielraum für jemanden wie mich.

Gerade die Fragestellungen und Ausgangslagen der verschiedenen Kunden finde ich höchst faszinierend. Vermutlich wegen meinem hervorragenden Aussehen darf ich immer mal wieder an “Pitches” bei Neukunden und kriege dort einen, zugegebenermassen oberflächlichen, Eindruck mit was sich viele Firmen auseinandersetzen. Dabei sind es Firmen verschiedenster Grössen. Bei SBB macht man viel Erfahrungsaustausch, aber meist halt “nur” mit vergleichbaren Firmen. Diesen oberflächlichen Eindruck konnte ich bisher in drei besonders spannenden Mandaten vertiefen und gleichzeitig wurde ich auch viel besser in den eingesetzten Technologien. Ich führe intern ein wöchentliches Blog darüber was ich lernte und man steht wirklich keinen Tag still.

Dies sollte jetzt mal ein persönlicher Einblick in die zwei meistgestellten Fragen zu meiner Karriere geben.


  1. In grosser Anzahl haben Architekten erfahrungsgemäss den gleichen Einfluss aufs Ergebnis wie Köche auf Suppe. ↩︎

  2. Entgegen isolutions interner Dokumente war Fiddi der erste isolutions Mitarbeitende bei SBB - nicht Roman ;-) ↩︎

  3. Der offensichtlich keinen Deut auf sein LinkedIn Profil gibt. ↩︎

  4. Meine Box-“Karriere” hat sicherlich den grössten Dämpfer durch den Wechsel erhalten. Fertig Vormittags- und Mittagstraining :-( ↩︎